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europa (ein lyrischer Dialog)

europa

ich bin wie dieser zerschlissene sommertag
der sich im hafencafé an den abend lehnt
zuweilen verloren
den blick aufs meer richtet
hinter alle sonnen
untergänge
mir fehlt das hinterland
ich werde immer
ein halber kontinent bleiben

bist du denn die andere hälfte
hätte ich gerne gefragt
ins schweigen
deiner mandelaugen

vergiss das
hättest du gesagt

  • Philipp Létranger

Du träumst von einem zweiten Teil

Nicht ich bin die andere Hälfte.
Sie schläft in vergessenen Meeren,
an Sonnentagen,
die mit Fischerkleidung ins Hafencafé schleichen.
Du kannst lange warten,
sie zeigt nie ihr zerfurchtes Gesicht.

Ich bin das Blau
am Rand des Himmels.
Bald fällt es hinunter,
aber nicht dir zu Füßen.

Du siehst mich nicht,
weil meine Farbe
eine andere Sprache spricht.
Welche, habe ich vergessen.

Eine Amsel sagt, du verstehst nur
meine Sommerhaut.

  • Sigune Schnabel

[eine halbe ewigkeit]

eine halbe ewigkeit sagst du
hast du gewartet
an strandlinien und horizonten

dass ich einmal deinen namen nenne
doch nur das dünengras
kennt ihn wispert ihn nachts
mit trockenen lippen
wenn der leuchtturm über den hügeln
deine farben löscht

wie oft habe ich dich sprechen hören
in den lüften

bis der september in den windrädern
das letzte rauschen
zerschnitt

  • Philipp Létranger

[Meinen Namen]

Die Erde gab mir meinen Namen.
Vor langer Zeit sprach sie ihn aus.
Den Sommer trug sie auf dem Rücken
und mich im Schoß.

Heute hat sie mich vergessen,
doch ich weiß noch:
Brandung trieb an ihren Lippen.
Nachts wiegt sie das Dünengras,
erzählt Geschichten;
tags wirft ihre Stimme
Schatten übers Land.

Eines Morgens komme ich zu dir
und schmiege mich an deine Haut,
doch erst muss der Dezemberwind
deine ferne Hälfte finden.

  • Sigune Schnabel

 

Name der Autorin/des Autors
Philipp Létranger und Sigune Schnabel
Europa

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